Seite wählen

Ich habe mir überlegt, ich schreibe vor meiner nächsten Podcastfolge doch nochmal einen Blogpost, weil mich die Ratssitzung am 24. Juni 2020 doch so sehr geärgert hat, dass ich das als Selbstbewältigung erst mal abtippen muss.

Eigentlich ein schöner Tag

Eigentlich begann alles ganz nett, vor der Ratssitzung bin ich noch in unser wunderschönes Waldfreibad und habe ein paar Bahnen gezogen. Das entspannt mich nicht nur, es macht mich innerlich einfach glücklich über das Becken zu schauen und im Wasser zu treiben/schwimmen.

Ich hatte mich darauf eingestellt, dass wir nach einem Austausch den Antrag, dass Espelkamp „Sicherer Hafen“ der Initiative Seebrücke wird, gemeinsam als Stadtrat beschließen können. Der Antrag war relativ weich formuliert, um ihn auch durchzubringen, ohne große Ecken und Kanten. Doch es kam leider ganz anders.

Vielleicht vorweg, um zu verstehen, was das ganze für mich und eigentlich auch für die Stadt bedeutet: Espelkamp wurde von Flüchtenden und Vertriebenen für Flüchtende und Vertriebene gegründet. Die Stadt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus einer Munitionsfabrik der Nazis gebaut. Unsere Stadtgesellschaft besteht eigentlich aus Menschen aus allen Herren Ländern, die EspelkamperInnen geworden sind. Es müsste, so sehe ich das, eigentlich zur DNA der Stadt gehören sich der Seebrücke anzuschließen.

Als ich mir überlegt habe, den Antrag in unsere Fraktion einzubringen, flogen gerade die Bilder von Erik Marquardt auf Twitter herum, das Elend, die Kinder, die Boote. Ich bin innerlich zerrissen als ich die Bilder gesehen habe. Wie mit Menschen mitten in Europa unter bewusstem Wegschauen umgegangen wird. Meine Möglichkeiten als Stadtrat sind begrenzt, doch was ich tun kann, will ich tun. Soweit erst-mal als Vorwort.

Ein guter Anfang

Zuerst leitete der Bürgermeister mit der rechtlichen Zuständigkeit von Bund und Land ein und dass die Kommune hier keine Zuständigkeit habe.

Das ist soweit korrekt und auch nicht anders zu erwarten gewesen, dass die Verwaltung über den rechtlichen Rahmen informiert. Es geht bei der Resolution „Sicherer Hafen“ bewusst auch darum, dass sich Kommunen zusammenschließen, um gemeinsam gegenüber dem Bund aufzutreten und die Bereitschaft erklären, Geflüchtete aufzunehmen. Das Heft des Handels liegt beim Bund.

Ich habe unseren BündnisGRÜNEN Antrag eingebracht und erläutert, der rechtlichen Einschätzung des Bürgermeisters habe ich zugestimmt und nochmal dafür geworben, die Resolution zu unterstützen, um gemeinsam gegenüber Land und Bund deutlich zu machen, dass wir nicht wegschauen können.

Der SPD ging der Antrag sogar nicht weit genug, Reinhard Bösch der Fraktionsvorsitzende regte an: Man könne durchaus sagen, dass man 10 Kinder aufnehmen und das eben auch in dem Antrag zu verankern. Das freute mich sehr! Paul-Gerhard Seidel, Fraktionsvorsitzender von den Unabhängigen, fand auch man könne dem Antrag so zustimmen.

Und dann, ja dann kam die CDU. Ich weiß wirklich nicht, was man sich dabei gedacht hat, aber nun ja. Hier aus meiner Perspektive die Schilderungen:

Lesekompetenz und Verständnis

Die CDU könne den Antrag nicht verstehen, man hätte versucht sich zu erklären, warum man den stellt. Ob das Wahlkampfgeplänkel wäre, ein Schaufensterantrag, man wisse nicht, was der Antrag soll. Man würde keine Zuständigkeit sehen und daher den Antrag ablehnen.

Es ist für mich eine riesengroße Frechheit gewesen, aber etwas deutlicher hierzu:

„Wahlkampfgeplänkel“ & man wisse nicht, was der Antrag soll – im Endeffekt unterstellt die CDU-Fraktion in Espelkamp damit, dass die BündnisGÜRNEN das Leid von Menschen nutzen wollen würde, um uns als gut wählbar dazustehen und mich als Bürgermeisterkandidat zu präsentieren.

Das ist für mich eine bodenlose Frechheit sondergleichen und zeigt deutlich die innere Gedankenwelt der CDU. Man kann sich nicht vorstellen, dass es uns und ja auch im Speziellen mir, einfach um das Leid der Menschen geht und alle Wege sucht dieses zu lindern. Nein für die CDU kann es nur Eigennutz geben.

Auch scheint es schwer zu sein, einen Antrag zu lesen. Darin steht nämlich deutlich warum wir diesen Antrag gestellt haben und welches Ziel damit verfolgt wird – „Um darüber hinaus ein klares Zeichen der Menschlichkeit und Offenheit unserer Stadt und ihrer Menschen zu setzen, deklariert der Rat die Stadt Espelkamp als ‚sicheren Hafen‘. Die Stadt nimmt im Rahmen ihrer Möglichkeiten Geflüchtete auf“. Und es ist ja nun auch nicht so als, wenn die Initiative Seebrücke eine unbekannte Institution wäre, gerade im Frühjahr gab es umfassende Presseberichte zu Seebrücke, der Situation auf den griechischen Inseln usw.

Entweder wollte man das nicht verstehen oder es steht wirklich schlecht um das Textverständnis und die Lesekompetenz in der CDU. Es scheint irgendwie, als habe man geglaubt man bekomme den Antrag schnell weg und dann wäre Ruhe. Schließlich hat man ja eine deutliche Ratsmehrheit. Es reiht sich ein in ein Verhalten, für das ich kein Verständnis mehr habe. Mehrfach schon wurden politische Initiativen mit dem Spruch: „Das ist ja nur Wahlkampfgeplänkel“ bedacht.

Es tut mir ja leid, dass die CDU nicht in der Lage ist eigene Anträge zu stellen, die anderen Fraktionen sind durchaus dazu in der Lage und tun dies auch regelmäßig. Nicht nur vor Kommunalwahlen, sondern ständig. Aber auch hier zeigt sich ein besonders verqueres Verständnis von Politik. Anträge werden demnach nur für die Auswirkung gestellt, nicht um politische Ziele zu verfolgen.

Es folgten nochmal Vertreter der SPD (Hartmut Stickan) und der Unabhängigen (Paul-Gerhard Seidel), die dafür geworben den Vorschlag so zu tragen und dafür zu stimmen und auf jeden Fall nicht dagegen. Jeweils mit eigener Auslegung und Ausprägung.

Auch ich habe mich nochmal zu Wort gemeldet und deutlich gemacht, dass es eine Frechheit ist von Wahlkampfgeplänkel zu sprechen, eine bodenlose Frechheit!

Hierauf hat Herr Dr. Vogt sich dann für die CDU entschuldigt, wenn das persönlich verletzend war mit dem Wahlkampfgeplänkel. – Ja war es! – Trotzdem führte er dann nochmal aus wie großartig die Leistung Deutschlands gewesen sei und ist. Dass sich ja erst einmal andere kümmern sollten, es wäre das falsche Signal jetzt. Auch sei ja jetzt die deutsche Ratspräsidentschaft und da werde sich dann was bewegen.

Das trifft für mich wieder das Motto „nicht hier, nicht wir“, das mir in Espelkamp ständig begegnet. Es tut so als wären die Menschen nicht in Moria, nicht auf dem Mittelmeer und wir könnten einfach abwarten bis andere sich bewegen. Der weitere Punkt, der im Endeffekt bedeutet, dass man durch menschliches Leid bei den anderen Druck aufbaut bis diese Menschen aufnehmen, lehne ich aus tiefstem Herzen ab! Und er ist auch einfach, mit viel Leid, Blut und Tod, widerlegt. Weder bewegen sich andere Länder, noch führt die Kälte zu Gesprächsbereitschaft.

Hartmut Stickan hat dies passend mit: „Man kann nicht nur von Nächstenliebe erzählen, man muss Sie auch zeigen“ gekennzeichnet.

Unser BündnisGRÜNER Fraktionsvorsitzender (Andreas Sültrup) hat dann nochmal darauf verwiesen, dass die CDU prinzipiell Anträge der Opposition ablehnt und diese dann gerne selbst später nochmal stellt. Dass man sich hier nicht hinstellen könne und von christlichen Werten reden und dann so auf die Resolution zu reagieren.

Ist schon blöd, wenn man alleine ist

Nachdem der CDU aufgegangen, dass alle anderen gegen Sie stehen (das kommt bei uns im Rat eigentlich nie vor), sie also alleine dastehen und ihnen vielleicht auch aufgegangen ist, das es nicht die beste Idee ist in Espelkamp diese Resolution abzulehnen wurde eine Sitzungsunterbrechung durch die CDU beantragt. In dieser Zeit können die Fraktionen sich beraten, um gegebenenfalls eine Änderung der Fraktionsposition einzunehmen.

Nach der Sitzungsunterbrechung schlug der Fraktionsvorsitzende der CDU (Wilfried Windhorst) vor den Tagesordnungspunkt abzusetzen, um daraufhin eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen zu erarbeiten. Der Vorschlag wurde von den anderen Fraktionen mitgetragen, allerdings schon mit dem Hinweis das man ja schon einen Monat Zeit hatte sich was zu Überlegen.

Ich habe mich in dem Moment gefragt, was denn diese elementaren Änderungen sein werden die, nicht schon vorher hätten besprochen werden können. Schlussendlich lag der Antrag über einen Monat vor und von der CDU kam kein Ton, kein Mucks. Einfach Nichts.

Am Ende ist es mir wichtig, dass Espelkamp sicher Hafen wird und seine Bereitschaft erklärt, Menschen aus Not aufzunehmen. Weiter zuschauen oder wegzuschauen und nicht einmal das machen, was uns möglich wäre, ist eine Schande für unsere Kommune, für meine Heimat. Wenn es nun noch bis in die nächste Ratssitzung dauert, bis wir das hinbekommen ist das ok, auch wenn hier Zeit verstreicht die nicht hätte sein müssen. Sei’s drum, packen wir’s an und machen die Zukunft besser als die Vergangenheit.

Ich bin gespannt auf die Vorschläge zum Anpassen der Resolution und ich hoffe, dass es zu einem tragbaren Ergebnis kommt, um die Position der schwächsten zumindest etwas zu stärken.

In diesem Sinne eine schöne Zeit euch allen!